Potenziale alter Gebäude im ländlichen Thüringen

Hausbau in Eigenleistung

Thüringen ist im ländlichen Raum vielerorts geprägt von alten Gebäuden, die leer stehen oder nur teilweise genutzt werden. Welches Potenzial in diesen steckt, zeigt eine Genossenschaft, die einen alten Gutshof in der Nähe von Eisenach gekauft hat und aktuell ein Gebäude des Hofs wieder aufbaut.

Das rund 300 Jahre alte Fachwerkhaus konnte nicht erhalten werden – die Balken waren brüchig und die Natursteinwand im Erdgeschoss nicht mehr tragfähig. Auf der entstandenen Fläche gab es für die Genossenschaft die Möglichkeit, ein Haus nach ihren Vorstellungen zu bauen: ökologisch, nachhaltig und – wo möglich – in Eigenleistung.

Vom Feld zur Wand: Der Weg zum Strohballenhaus

Die Entscheidung fiel auf ein nicht-lasttragendes Strohballenhaus in Holzständerbauweise. Die Planung für das dreigeschossige Haus erfolgte gemeinsam mit einem Architekten und einem Statiker. Der Zimmermann erstellte die Feinplanung mit der genauen Anzahl und Maßen der benötigten Holzbalken. Dank dieses Planes konnte die Genossenschaft das lokal geschlagene Holz mit Ausnahme der großen Deckenbalken in einem naheliegenden Sägewerk selbst zuschneiden.

In der Werkstatt vor Ort wurde das Holztragwerk zu einzelnen Wandmodulen zusammengebaut. Die Außenwände konnten bereits in der Werkstatt mit Strohballen gefüllt werden. Das dafür benötigte Stroh umfasst die Ernte eines kompletten Feldes, rund 1.800 Kleinballen. Es wurde bei einem Bauern in der Nähe vorbestellt und konnte direkt nach dem Verpressen abgeholt werden. Etwa zwei Drittelder Ballen wurden für das Haus verwendet.

Auch ein ökologisches Bauprojekt wie dieses geht nicht ohne Schwierigkeiten und Planänderungen über die Bühne: Um die erforderliche Wanddicke von 36 Zentimeter zu erreichen, mussten z. B. häufig zwei Balken hintereinander gelegt werden, weil viele Hölzer eine geringere Breite aufwiesen. Die Balken wurden mit extra langen Schrauben verbunden. Durch die Schraubengröße bedurfte es einer stärkeren Dicke der Bretter, wodurch sich wiederum der Gesamtholzbedarf des Hauses um einiges erhöhte.

Altes Material, neuer Nutzen

Für die Innenwände des Hauses werden die Ziegelsteine des alten Fachwerkhauses aufbereitet und wiederverwendet, um wärmespeichernde Masse in das Gebäude zu bringen. Zusätzlich werden die Decken mit dem gebrochenen Bauschutt aus dem alten Gebäude verfüllt. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass sich die Genossenschaft Kosten für die Entsorgung des Bauschutts sowie für den Einkauf von alternativem Material sparen konnte.

Die Verkleidung der Wände erfolgt außen mit einer Holzvertäfelung in den oberen Geschossen und Kalkputz im Erdgeschoss. Innen werden die Wände mit Lehm verputzt, der die an den Außenwänden liegende Wandheizung verdeckt.

Ein Hausbau in Eigenleistung entschleunigt. Der Rückbau des alten Fachwerkhauses lief vor allem 2020 und 2021. 2022 wurde das Stroh abgeholt und 2023 begann der Bau mit dem Guss des Streifenfundaments. Begleitet wurde die Zeit durch Planungen und die Vorbereitung der Holzbalken in den benötigten Größen und Wandzuordnungen. Im November 2024 stand das Grundgerüst samt Dach und PV-Anlage. Die Außenwände waren zu diesem Zeitpunkt unverputzt und mit einem Vlies abgedeckt, damit das Stroh nicht nass wird. Erste Räume lassen sich durch die Ständerung der Holzbalken bereits erkennen.